Wiser Ways – Wege weiser
Gemeinsam Zukunft gestalten
Unsere Plattform will regenerative WEGE WEISEN und sie miteinander verbinden. Der positive Wandel, über den viel gesprochen wird, ist nicht nur eine Modeerscheinung, sondern eine Realität. Überall auf der Welt arbeiten Menschen daran, eine zukunftsfähige, vielfältige und gerechte Welt zu schaffen – eine Welt, die die scheinbare Trennung zwischen Mensch und Natur aufbricht und unsere verwobenen Existenzen neu definiert. In einer Zeit, in der ökologische, soziale und ökonomische Herausforderungen immer drängender werden wollen wir Projekte und Ansätze sichtbar machen die sich diesen Aufgaben stellen und die Menschen dahinter vernetzen.
Ähnlich wie das Myzel in der Natur, das ein Netzwerk von Lebewesen schafft, das sich gegenseitig unterstützt, entsteht auch in unserer Gemeinschaft Resilienz durch intelligente, verwobene Co-Existenz. Projekte befruchten sich gegenseitig, lernen voneinander und wachsen gemeinsam.
Über Markus Kristen
Wenn ich auf meinen Reisen Menschen anderer Kulturen fragte: „and who are you?“, fingen sie oft an ihr eigenes Sein mit Geschichten, die bei ihren Großeltern oder sogar Urgroßeltern begannen, zu vermitteln. Als professioneller Coach verstehe ich Handlungen verschiedener Akteure gerne im Zusammenhang des Systems, in dem Menschen eingebettet sind – auch in die zeitliche Dimension dieses „Netz des Lebens“. Vielleicht sollten wir uns in den westlichen Kulturen zu dieser Praxis zurückbesinnen und etwas mehr Kontext zu unseren „so-geworden-sein“ geben. Ich fang mal damit an: mein Großvater mütterlicherseits, „Daddi“ genannt, sollte in Kriegsgefangenschaft in einen sibirischen Gulag, raunte aber einem amerikanischen Offizier zu: „I want to american camp“. Obgleich er Kriegsgefangener aus Nazideutschland war, wurde er unglaublicher Weise von einer Bauernfamilie mehr als Mensch denn als Zwangsarbeiter herzlich aufgenommen und engagierte sich seinerseits, so dass er Jahre später mit einem Landwirtschaftsdiplom zurückkehrte. In diesem Zusammenhang beschäftigen mich heute die Frage: „Wie gelingt es, den einzelnen Menschen mit mehr Grösse zu handeln anstatt die gewünschte „Rolle“ zu spielen zu der uns das destruktive System verleiten will?”
Meinem Großvater ermöglichte das erworbene Farmers-Diploma nach der Pensionierung als Schuldirektor in Hamburg, den familieneigenen Bauernhof an der Ostsee zu übernehmen. Mein Onkel, der später den Hof führte, ließ mich dankenswerterweise schonungslos an der „Werschöpfungskette“ eines Schweinemastbetriebes teilhaben: Ferkel-„produktion“ mit den in Boxen fixierten Sauen, Mast, Transport (er fuhr selber den LKW mit dreistöckiger Ladefläche), Ausladen, (Ab-)schlachtung, Abfackeln, Ausnehmen, Zerlegen, Güte-Klassifizierung im Schlachthof Hamburg. Diese radikal-ehrlichen Erlebnisse ohne „Vorhang“, trugen dazu bei, dass ich mich in meinem Leben überwiegend vegetarisch ernähre. Gleichzeitig habe ich erfahren können, wie wichtig Tiere für einen natürlichen Stoffkreislauf in der Kleinbäuerlichen Landwirtschaft sind, um z.B. Magerflächen durch Beweidung zu nutzen und auf künstliche Düngemittel, die auf fossilem Erdöl oder Gas beruhen, zu verzichten.
In meinem Elternhaus war unser Garten ein Abenteuerplatz, den meine Mutter Wiebke (sie arbeitete als Grundschul- und Biologie- und Deutschlehrerin) betreute und sie ermutigte mich und meinen Bruder Jonas ihn zusammen mit Freund*innen kreativ mit allerlei „Schätzen“ vom Sperrmüll (wie einem Ofen mit Feuer-Kochstelle) zu bespielen. Wir re- und upcycleten, kreierten, erprobten. Als ich später selbst Kinder hatte, kam ich immer wieder zu diesem wertvollen Einfluss meiner Mutter zurück.
Als beispielhafte prägende Erlebnisse mit meinem Vater, der als Botaniker mit Wissenschaftlern aller Kulturen, die bei uns ein und ausgingen, am Elektronenmikroskop arbeitete, möchte ich eine für seine Lehren bezeichnende teilen:
Als Zehnjähriger hatte ich während der Ferien einen kleinen Tisch mit Mikroskop neben den Doktoranden und untersuchte das Wachstum von Bakterien, die ich in Petrischalen mit Nährlösung aus Zuckerwasser versorgte. Gab ich wenig oder zu viel Zucker verhungerten bzw. „erstickten“ die Kulturen. Nach einiger Zeit jedoch starben die Bakterien ab, obwohl sie noch Platz hatten sich auszubreiten - egal, was ich auch versuchte. Mein Vater sagte einen Satz (möglicherweise kindergerechter formuliert), der mich bis heute prägt: „Wenn eine Spezies in einem begrenzten System lebt, stirbt sie, wenn sie die Ressourcen verbraucht hat, oder, wenn sie nicht zyklisch als Ökosystem arbeitet, an der toxischen Verschmutzung ihres Lebensraums durch die Abbauprodukte der Ressourcen, die sie verstoffwechselt. Das gilt für die Petrischale, aber ebenso für unsere Erde“.
Dann kamen meine Jahre als Pfadfinder, in denen wir mit einer Jungsgruppe, die europäischen Landschaften erwanderten. Wir kochten auf dem Feuer, schliefen auf dem Boden und waren stets mit Natur und Leuten verbunden. Bis heute kann ich mich auf diese Erfahrungen zurückziehen: Ich kann glücklich Leben mit wenig im Sinne von „less is more“!
Aus den vielen schönen kulturellen Begegnungen möchte ich zwei hervorheben: Als wir in Finnland das Ufer eines Sees entlangpaddelten, lud uns eine Dorfgemeinschaft zum gemeinsamen Saunieren ein. Erstaunt nahmen wir die reinigenden Peitschenhiebe mit Birkenreisig hin und stürzten uns johlend mit Jung und Alt nach dem Saunagang in die kühlenden Fluten. In Portugal verzieh uns ein alter Bauer beim Glas Wein die Gräueltaten der Nazis an seiner Familie und in Griechenland wurden wir von einem Schafhirten zum Frühstück zum gemeinsamen Frühstück eingeladen: Er teilte seine große Tomate, Zwiebel und etwas Salz mit uns. Mit Worten konnten wir uns nicht verständigen, wohl aber mit Mimik und Gestik und dem Herzen.
Auf all diesen Reisen fühlte ich mich eingebunden in das „Netz des Lebens“ – das Ökosystem, in dem wir leben. Unsere Pfandfindergruppierung war aber auch sehr gesellschaftspolitisch ökologisch und -von den Mädchen und Frauen ausgehend - feministisch orientiert. Begeistert lass ich damals „Kleine Helden in Not“ und „Die Geschlechterrolle“ von Rainer Neutzling und „Der kleine Unterschied“ von Alice Schwarzer.
Dies sollte dann auch in meine Berufsbiographie einfließen: Während meine Eltern in ihrer Profession als Biologie-(Hochschul-)Lehrer*in stets zwischen Lehre und Forschung oszillierten, startete ich zwar mit einem Biologie- und Geographiestudium - mehr angetan hatte mir aber das „Menschliche“, so dass ich mein Diplom mit Erziehungswissenschaften begleitet von Soziologie und Psychologie abschloss.
Zunächst startete ich dann als Sexualpädagoge in der Arbeit mit Jungen und Männern bei Pro Familia und unterstützte sie auf Ihrer Suche nach einer konstruktiven Männlichkeit und gelingenden Beziehungen zu sich selbst, Frauen, Kindern, allen Menschen, der Natur, Gesellschaft und Wirtschaft. Vor dem Hintergrund des vielfach auch destruktiven Gestaltungsanspruch von Männern. Ein Fragenkomplex, der mich durchgehend beschäftigt – auch in Bezug auf die globalen Fragestellungen, z.B. wie eine regenerative Wirtschaftsweise und Gesellschaft im Einklang mit den Funktionsweisen der globalen lebendigen Ökosysteme gelingen kann.
Die maskulin geprägte Fantasie, Probleme, die durch Technik entstanden sind, mit „high tec“ zu lösen, erzeugt aus meiner Wahrnehmung nur mehr Probleme und Risiken wie z.B. beim Geo-Engineering. Ähnlich sieht es aus meiner Sicht im Wissenschaftsbetrieb aus, der häufig auf Teilprobleme schaut, aber nicht auf die Beziehungen und Prozesse der Teile im größeren System.
In meiner sich dann entfaltenden beruflichen Tätigkeit waren dann stets zwei Themen im Vordergrund: Leben und Wirtschaften im Einklang mit der Natur in den planetaren Grenzen und die Gestaltung von Organisationen und Führungsrollen. Ich gründete die „Abenteuercamps“ mit denen Kinder an zeitweise 6 Wald-Standorten mit 35 Teamer*innen auf einwöchige umweltpädagogische Erlebnisreisen und Klassenfahrten fahren konnten. Hier verwoben sich dann auch meine Themen im Väter-Kinder-Camp: Führungskräfte von Bosch und Airbus zelteten mit mir im Wald – neben dem Naturerleben stand die Stärkung und Nähe in der Beziehung im Vordergrund. Gerne erinnere ich mich an offene Gespräche unter den Männern am Lagerfeuer über Sorgen, Herausforderungen und Freuden in der Gestaltung der Vaterrolle. Eine Frage, die mich in diesem Zusammenhang beschäftigt, ist, wie Männer gute Väter sein können, auch, wenn sie selbst häufig keine zugewandten konstruktiven Beziehungen zu ihren Vätern erleben konnten.
Parallel zu meiner Arbeit mit Kindern im Wald ging es dann in die Firmen, in denen ich nun seit über 20 Jahren als Coach, Trainer, Moderator und Berater unterwegs bin und mit Führungskräften arbeite.
Auch hier treibt mich die Frage an, wie Unternehmen (wieder) dem Gemeinwohl dienen und eine langfristigere Perspektive (Konzept der „7 Generationen“) und nicht nur nachhaltig, sondern regenerativ (da schon zu viele Ökosysteme destabilisiert und zerstört wurden) wirken können.
Wenn ich auf meinen Weg seit meiner Geburt im Jahre 1971 blicke, ist mir eines aber immer im Bewusstsein: Die Menschheit hat sich von vier auf fast acht Milliarden Menschen verdoppelt, Wildtiere machen nur noch 4% der Masse aller Säugetiere aus und wir haben 70% der nichtarktischen Landfläche genutzt und verändert. Wir leben in einer von uns „vollen Welt“.